Ein Hörspiel-Oratorium unter Verwendung der „Sterbebüchern von Auschwitz“ und von Gedichten von Tadeusz Borowski
»Gott hat die Welt erschaffen, der Mensch hat Auschwitz erschaffen«, schrieb Imre Kertész. Und seitdem ist nichts geschehen, »was Auschwitz aufgehoben, was Auschwitz widerlegt hätte«. Über den Holocaust lässt sich nicht in der Vergangenheitsform berichten. –
Alles entschwunden wie auf einer Bühne. Die Toten schweigen für immer,
(Tadeusz Borowski)
und wir – die Lebenden – wie erheben wir die Stimme, wenn das Herz in Flammen steht?
Langsam vergehen die Stunden, und die Tage zählen für Jahrhunderte
und wie eine Steinplatte auf unserer Brust lastet die Freiheit.

Das Projekt
Die 46 Bände der sogenannten „Sterbebücher von Auschwitz“ gehören zu den wenigen erhalten gebliebenen Originaldokumenten aus dem deutschen NS-Konzentrationslager Auschwitz, da der überwiegende Teil der Lagerdokumentation durch die SS bei der Evakuierung des Lagers vernichtet wurde. In den „Sterbebüchern“ sind die Todesdaten von Auschwitz-Häftlingen zwischen dem 27. Juli 1941 und dem 31. Dezember 1943 verzeichnet. Aufgeführt sind Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geburtsort, Religionszugehörigkeit und Todesdatum.
Das Hörspiel-Oratorium IMIONA NURTU. DIE NAMEN DER STRÖMUNG möchte den in den „Sterbebüchern von Auschwitz“ verzeichneten Menschen eine Stimme geben, jedem eine eigene.
Die Aufnahmen

In Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte „KZ Auschwitz-Birkenau“ haben wir Besucherinnen und Besuchern, die aus aller Welt nach Oświęcim gekommen sind, eine Woche lang die Möglichkeit angeboten, den Namen eines Menschen zu wählen, der im Lager ermordet und in den „Sterbebüchern von Auschwitz“ verzeichnet wurde, um ihm eine Stimme zu leihen. Die Aufnahmen fanden Mitte August 2024 auf dem Vorplatz des sogenannten Todestors von Auschwitz II-Birkenau statt.
In einem zweiten Schritt haben wir Menschen in ganz Europa angeschrieben und gebeten, ebenfalls einem der in den „Sterbebücher von Auschwitz“ verzeichneten Menschen eine Stimme zu leihen und deren Namen, Geburtsort und -datum sowie das Datum und den Ort ihrer Ermordung für das Projekt einzusprechen.
Ich glaube, es ist von Bedeutung, dass jeder einzelne Name von einer anderen Person eingesprochen wurde, dass jeder von diesen in Auschwitz ermordeten Menschen eine „eigene“ Stimme erhalten hat. Denn mit jeder einzelnen Stimme öffnet sich die Tür zu einer eigenen Biographie, zu einem gelebten Leben, das im KZ Auschwitz ausgelöscht wurde.
Sterbebücher von Auschwitz
Unter dem nachfolgendem Link finden Sie das komplette Verzeichnis der „Sterbebücher von Auschwitz“, in dem Sie selber recherchieren können:
Ausstrahlung im Rundfunk / Soundinstallation
Aus den Aufnahmen all der „Namen der Strömung“, wie der polnische Dichter Tadeusz Borowski sie nannte, aus Gedichten Borowskis, die er als Häftling im KZ Auschwitz verfasste, sowie aus Geräuschaufnahmen in den Häftlingsbaracken des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz II-Birkenau habe ich abschließend das Hörspiel-Oratorium komponiert. Ein memento mori, das ab dem 04.10.2025 in der ARD-Audiothek angehört werden kann und auf SWR Kultur am 05.10.2025 um 23:03 Uhr urgesendet wird. Außerdem wird das Stück als Soundinstallation in der Gedenkstätte „KZ Auschwitz-Birkenau“ zu hören sein.
Credits
IMIONA NURTU. DIE NAMEN DER STRÖMUNG
Hörspiel-Oratorium von Kai Grehn unter Verwendung der Sterbebücher von Auschwitz und Gedichten von Tadeusz Borowski
ÜBERSETZUNG DER GEDICHTE AUS DEM POLNISCHEN: Kai Grehn & Aleksandra Ambrozy
MIT: Alexander Fehling, Rafael Stachowiak, Besucherinnen und Besuchern der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau & Menschen aus ganz Europa
GERÄUSCHAUFNAHMEN IN DEN HÄFTLINGSBARACKEN DES EHEMALIGEN KONZENTRATIONSLAGERS AUSCHWITZ II-BIRKENAU: Jean Szymczak & Kai Grehn
WORTAUFNAHMEN: Martin Seelig & Jean Szymczak
TON & TECHNIK: Jean Szymczak
PRODUKTIONS- & REGIEASSISTENZ: Julia Weinreich
LÄNGE: 82:08 min
DRAMATURGIE: Manfred Hess, Pia Frede
REGIE: Kai Grehn
Unterstützt wurde das Projekt durch die Gedenkstätte „Auschwitz-Birkenau“, die A-und-A-Kulturstiftung und die Berthold-Leibinger-Stiftung.
PRODUKTION: Südwestrundfunk in Kooperation mit dem Deutschlandfunk 2025
Mit Dank an die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, das Zentrum für Dialog und Gebet in Oświęcim und die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim. Mit Dank an die A-und-A-Kulturstiftung, die Berthold-Leibinger-Stiftung, die Maximilian-Kolbe-Stiftung und die Hans-Flesch-Gesellschaft. Mit Dank an das Burgtheater Wien, das Deutsche Theater Berlin, das Divadlo F.X. Šaldy Liberec, das Golem Theater Budapest, das Hessische Staatstheater Wiesbaden, das Jerusalem Khan Theatre, das Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, das Narodowy Stary Teatr Kraków, das National Theatre Brno, das Nationaltheater Mannheim, das Niedersächsische Staatstheater Hannover, die Schaubühne Berlin, das Schauspiel Frankfurt am Main, das Schauspiel Leipzig, das Schauspielhaus Bochum, das Schauspielhaus Wien, das Staatsschauspiel Dresden, das Theater Basel, das Theater Lübeck, das Thüringer Landestheater Rudolstadt und die Volksbühne Berlin. Mit Dank an Malte Müller. Mit Dank an alle, die sich beteiligt haben an dem Projekt.